„Squid Game“ - medienpädagogische Einschätzung
Ein neuer Hype schwappt durch die Medienwelt. „Squid Game“ wurde innerhalb weniger Wochen zur bislang erfolgreichsten Netflix-Serie. Auch wenn die neunteilige Serie von Netflix offiziell ab 16 Jahren empfohlen ist, schauen offensichtlich auch Kinder und jüngere Jugendliche die Serie. Viele Eltern und Pädagog:innen sind besorgt.
Worum geht es in der Serie?
Die in Südkorea spielenden Serie „Squid Game“ ("Tintenfisch-Spiel") erzählt von 456 Menschen, die alle unter enormen Schulden leiden und am Rande ihrer Existenz stehen. Sie treten in vermeintlich harmlosen Spielrunden an, um sich von ihrer Schuldenlast zu befreien. Dazu werden sie auf eine verlassene Insel gebracht, wo sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegeneinander antreten müssen. Sie können ein hohes Preisgeld gewinnen. Erst Lauf des Spiels stellen die Teilnehmenden selbst fest, dass die Verlierer nicht nur ausscheiden, sondern kaltblütig hingerichtet werden. Die Tötungen werden teilweise in expliziten, drastischen Gewaltdarstellungen gezeigt, die der Serie viel Kritik, aber auch Aufmerksamkeit bescheren.
Wie kommen Kinder mit der Serie in Berührung?
Trotz der offiziellen Empfehlung von Netflix für die Altersgruppe ab 16 Jahren ist die Serie bereits in Grundschulen bekannt. Kinder unterhalten sich über die in der Story behandelten Spiele. Auf Schulhöfen werden die Wettkämpfe nachgespielt und entsprechende Strafen erdacht, zum Beispiel Ohrfeigen für die Verlierer:innen. Einige Kinder haben die Serie wohl auch selbst gesehen, sei es zusammen mit älteren Geschwistern oder aufgrund nachlässiger Kontrolle ihrer Eltern.
Was erzeugt die Begeisterung?
Die einprägsame, knallbunte Ästhetik der Serie hat in kürzester Zeit die globale Popkultur beeinflusst und virale Effekte erzeugt, so dass auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok zahlreiche Fotos und Videos in Anlehnung an „Squid Game“ zu finden sind. Der Hype der vergangenen Wochen führte dazu, dass die Serie im öffentlichen Diskurs vielseitig rezipiert und zitiert wird, so dass Menschen jeglichen Alters damit in Berührung kommen.
Gleichzeitig sind Grenzüberschreitungen und Angstlust (durch Challenges) beim Medienkonsum typische Phänomene des Heranwachsens, mit denen man sich bei Freund:innen Anerkennung und für sich selbst ein Zugehörigkeitsgefühl verschaffen kann.
Was sind die Auswirkungen und wie sind sie pädagogisch einzuschätzen?
Die extrem brutalen Darstellungen von Gewalt sind für Kinder und Jugendliche verstörend und schwer auszuhalten. Sie können die Psyche der Kinder beeinträchtigen und zu Verängstigung oder Alpträumen führen. Nicht umsonst gibt Netflix die Altersempfehlung „ab 16 Jahren“ an.
Ein anderer häufig genannter Aspekt ist das Nachspielen von Serienelementen auf dem Schulhof. Hier ist genau zu hinterfragen, was gespielt wird: An sich beruht die Serie auf Kinderspielen, die zwar aus Südkorea stammen, aber z.T. auch in Deutschland bekannt sind. So funktioniert das Spiel „Rotes Licht, grünes Licht“ aus der ersten Episode ähnlich wie das Spiel „Ochs am Berg“: wer sich zu spät noch bewegt, verliert. Insofern ist es zunächst nicht problematisch, wenn diese Spiele von Kindern nachgespielt werden. Wenn jedoch die Verlierer:innen zur Strafe diffamiert oder verprügelt werden, sind Grenzen überschritten. Diese gilt es wieder herzustellen.
Bedenklich ist auch, dass drastische Gewalt als eine akzeptable Option für Spielverlierer:innen dargestellt wird. Dies erzeugt einen problematischen Zusammenhang, den Kinder noch nicht angemessen einordnen können.
Auch ohne die Serie selbst gesehen zu haben, kommen Jüngere leicht über Soziale Netzwerke damit in Kontakt.
Empfehlungen von SiN (Studio im Netz e.V.) für Eltern und Pädagog:innen:
• Die Serie „Squid Game“ sollte genauso behandelt werden wie andere Medieninhalte, die nicht jugendfrei sind, und sollte jüngeren Kindern nicht zugänglich sein. Wichtig ist dabei, dass Sie Ihren Kindern erklären, wieso die Serie erst ab 16 Jahren freigegeben ist und wieso Sie diese Regelung konsequent umsetzen. Schließlich möchten Sie Ihre Kinder nicht ärgern, sondern schützen.
• Bekanntermaßen können Verbote auch kontraproduktiv sein. Wenn Ihre Kinder die Serie unbedingt ansehen möchten, ist zu befürchten, dass sie dafür eine heimliche Lösung finden. Besser wäre es dann, „Squid Game“ gemeinsam zu schauen (und ggf. vorzeitig abzubrechen), um das Gesehene anschließend gemeinsam zu besprechen.
• Generell sehen es die Einstellungsmöglichkeiten von Netflix vor, eigene Accounts für verschiedene Nutzer:innen anzulegen. So können Sie für Ihre Kinder voreinstellen, welche Inhalte ihnen vorgeschlagen werden, während Inhalte für ältere Zuschauer:innen den Kindern nicht verfügbar sind.
• Reden Sie mit Ihren Kindern über das Phänomen „Squid Game“ und hinterfragen Sie, in welchem Zusammenhang ihnen die Serie begegnet ist. Falls die Spiele auf dem Schulhof nachgespielt werden, sollten die Kinder ein faires Spiel ohne körperliche Gewalt oder Bestrafung daraus machen.
• Insgesamt bietet der Stoff der Serie durchaus Anlass für eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ungleichheiten. Die Fragen nach Moral und Ethik, die der Story zugrunde liegen, können Ausgangspunkt für eine spannende Diskussion über die Regeln menschlichen Zusammenlebens sein, die im Elternhaus ebenso geführt werden kann wie im Schulunterricht oder im Jugendtreff.
Eine Anleitung für die Jugendschutzeinstellungen liefert die Seite Medien-kindersicher. Weitere medienpädagogische Einschätzungen gibt es bei Klicksafe.de
Quellen: Studio im Netz; Schau hin